fbpx

Alice im (Sustainability-) Wunderland

Mein Urlaub in Griechenland war toll und größtenteils sehr entspannt, wenn auch nicht gerade ungetrübt. Während wir in kleinen Häfen saßen und griechischen Wein tranken, während eine Band Musik machte die durchaus nicht fremd aber südlich klang, kam per SMS ein Notfallalarm, der uns Touristen auf extreme Brandgefahr hinwies und darauf, dass Zutritt zu Wäldern bis auf weiteres untersagt sei.

Auch meine griechischen Freunde waren immer wieder abgelenkt: aufgrund der sich immer mehr ausbreitenden Feuer waren Wohnorte nahe Athen, wo einige von ihnen leben, soeben evakuiert worden, und wir hielten Wind und Wetter genau im Auge weil davon abhing, ob ihre Häuser verbrennen würden oder nicht. 

Vor allem in der Nacht konnten wir das glutrote Feuer in der Ferne beobachten, aber es war weit genug weg, um unseren Urlaub nicht wirklich zu beeinträchtigen. Freunden, die ihren Urlaub in der Türkei verbrachten, ging es da weniger gut. Die Feuer waren in unmittelbarer Nähe, es regnete Asche ins Abendessen, eine Vorverlegung des Rückflugs war nicht möglich. Entspannen und erholen konnten sich diese jungen Leute erst, als sie wieder in Wien waren.

5 Grad mehr in Österreich

Wie so manchen wurden ihnen diesen Sommer klar, dass der Klimawandel angekommen ist und seine Folgen ganz real spürbar sind, und zwar hier und jetzt. Von der „Realität“ der Klimakrise sprach auch der griechische Regierungschef, als er 2021 einen „albtraumhaften Sommer“ nannte. Er kündigte an, drastische Maßnahmen gegen die Umweltkrise setzen zu wollen. Better late than never.

Was vielen nicht bewusst ist: Die durchschnittlichen Temperaturen seit 1850 sind weltweit bereits um über 1 Grad Celsius gestiegen, in Wien sind es schon 2 Grad. Wenn keine Trendumkehr erfolgt wird die Durchschnittstemperatur in Österreich bis 2100 um mindestens 5 Grad gestiegen sein. Wird Ihnen jetzt heiß?

Alarmstufe Rot

Der Sommer 2021 wird uns in Europa nicht nur aufgrund der Brände, sondern auch dank der Überschwemmungen in Deutschland und Belgien in Erinnerung bleiben. Auch in Österreich hatten wir immer wieder mit Hochwasser zu kämpfen. Nach harten Corona-Jahren hätten wir eigentlich einen gemütlicheren Sommer verdient, doch das ist der Klimakrise egal.

Vor dem Hintergrund eines brennenden Mittelmeerraums relevanter denn je, ist soeben der von aller Welt mit Spannung erwartete neue UN-Klimabericht erschienen. Viele der Erkenntnisse sind für die interessierte Allgemeinheit nicht neu, aber sie sind umso drastischer, als die Datenlage mittlerweile glasklar ist. Fazit: es herrscht Alarmstufe Rot.

Extreme Hitze werden wir noch stärker spüren, genauso wie extreme Niederschläge, mit all den bekannten Folgen. Auch wenn wir es schaffen den Klimawandel aufzuhalten können wir den Anstieg des Meeresspiegels und das Schmelzen der Gletscher und Eisdecken nicht mehr rückgängig machen. Wir haben die Welt verändert.

Wir wissen, was zu tun ist

Um das Ziel des Pariser Klimaabkommens, die globale Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken, zu erreichen müssen wir nun den Turbo einschalten und unser Verhalten drastisch ändern.  Ansonsten ist diese Schwelle bereits 2040 überschritten.

Aber es gibt auch gute Nachrichten: der IPCC-Klimabericht zeigt, dass wir ganz genau wissen was zu tun ist, welche Maßnahmen wirken. Die Lösungen gibt es also – wir müssen sie nur umsetzen. Wir sehen auch, dass unterschiedlichste Stakeholder-Gruppen mehr und mehr dazu bereit sind, ihre Klimarechte einzufordern und gegen Staaten und Unternehmen, die zu wenig dafür tun vor Gericht zu ziehen.

Wir alle sind Teil der Lösung, und nur im Zusammenspiel von Regierungen, Unternehmen und kritischen Konsumentinnen kann diese funktionieren. Hier ist eine graphische Zusammenfassung aus meinem aktuellen Buch The Sustainability Puzzle, in der Claudia Winkler und ich zeigen, was zu tun ist, und warum.

Wo bleibt der Optimismus?

Den ungeheuren Fortschritt, den unsere globale Zivilisation erreicht hat, verdanken wir nicht zuletzt der Tatsache, dass das Klima auf der Erde in den letzten 10,000 Jahren stabil war. Unser Planet ist einzigartig und sein Gleichgewicht notwendige Voraussetzung für Leben auf der Erde. Das sollte eigentlich jedes Kind wissen, aber als Gesellschaft scheinen wir das Verständnis dafür verloren zu haben.

Die Frage ist letztlich, wie sehr es brennen muss, bis auch die letzten Klimaskeptiker überzeugt sind, dass ein Systemwandel notwendig ist, um wesentliche Teile unseres Systems zu erhalten. Bis alle Regierungen und Unternehmen verstanden haben, dass mit verbrannten oder überfluteten Städten und Dörfern kein Tourismus-Einnahmen erzielt werden können, und dass fossile Brennstoffe wie Öl, Kohle und Gas nicht weiter subventioniert werden dürfe.

Ich bin davon überzeugt, dass wir es schaffen werden, aber wie viele Hitzetote, Überschwemmungsopfer und verbrannte Erde wir bis dahin „in Kauf“ nehmen müssen, wie hoch der Meeresspiegel steigen wird, und wie viele weitere Arten aussterben müssen, kann ich nicht abschätzen.

Was ich weiß ist, dass ich verbindliche staatliche Regulierung von klimarelevanten Themen will, Unternehmen, die nur noch klimafreundliche Produkte verkaufen, Mitmenschen, die sich aufs Wesentliche konzentrieren und dafür kämpfen.

Wie Sie sehen, bin ich heute etwas weniger entspannt als sonst. Aber vielleicht brauche ich nur noch etwas Urlaub abseits von Klimakrise & Co. J

Herzlichst

Ihre Alice Schmidt

über Alice Schmidt

Als jemand der immer das große Ganze sieht ist Alice Schmidt quasi professionelle Weltverbesserin. Sie bring jahrzehntelange Praxiserfahrung mit wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fragestellungen mit, die sie in über 30 Ländern mit den unterschiedlichsten Institutionen – von UNO und Weltbank über zahlreiche Unternehmen und NGOs – gesammelt hat. Neben ihrer Tätigkeit als Beraterin, Speakerin und Autorin unterrichtet sie an der Wirtschaftsuniversität Wien zum Thema Nachhaltigkeit und Management für die Zukunft.

Mehr zu Alice Schmidt http://www.aliceschmidt.at

Kürzlich ist ihr neues Buch „The Sustainability Puzzle“ erschienen, das sie gemeinsam mit Impact-Unternehmerin Claudia Winkler geschrieben hat und das sich der Frage widmet, ob wir es schaffen, die Zerstörung unseres Ökosystems aufzuhalten und endlich Gesundheit, Wohlstand und Wohlergehen für alle zu sichern (kleiner Hint: sie ist Optimistin).

Hier geht’s zum Puzzle http://www.sustainability-puzzle.org