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Alice im (Sustainability-) Wunderland

Ist Ihnen schon aufgefallen, wie umweltfreundlich und sozial verantwortungsvoll sämtliche Tankstellen, Burger und Hotels plötzlich sind? Dass viele Unternehmen sich offenbar globale Nachhaltigkeit, eine lebenswerte Zukunft für alle und grünes Wachstum als oberste Zielsetzungen vorgenommen haben?

Wer etwas an der Oberfläche kratzt wird bald feststellen, dass das nicht die frühe Version einer tatsächlich nachhaltigen Zukunft ist sondern sehr oft mit Greenwashing, zu Deutsch Ökoschwindel – oder auch, verharmlosend, Ökoschmäh – zu tun hat.

Green sells

Mit zunehmendem Umweltbewusstsein in der Bevölkerung steigt auch die Gefahr von Greenwashing. Eine aktuelle Studie der Europäischen Kommission zeigt, wie wichtig Umweltthemen für Konsumenten in Europa geworden sind. Für Europäer ist die Klimakrise das größte Problem unserer Zeit. Ganze 93 Prozent sehen den Klimawandel als ernstes Problem.

In Österreich sind zwei Drittel der Bürger der Ansicht, dass Wirtschaft und Industrie für die Bekämpfung des Klimawandels verantwortlich sind (in Deutschland sind es sogar drei Viertel). Zudem sind Konsumenten auch mehrheitlich bereit, für umweltfreundliche Produkte mehr auszugeben auszugeben. In Deutschland trifft das auf 60 Prozent zu, in den USA auf 58 Prozent.

Viele Unternehmen haben verstanden, dass sowohl ihre Produkte und Dienstleistungen als auch ihre Betriebsstrukturen und Lieferketten nachhaltig werden müssen, damit sie vor allem bei jüngeren Konsumenten punkten und langfristig überleben können. Nicht nur aus ethischen Gründen oder um gesellschaftlich und ökologisch gut abzuschneiden, sondern vor allem weil es finanziell Sinn macht.

Von Klima-Lügen zum Öko-Schmäh

Nachhaltiges Wirtschaften ist also das einzig gültige Ticket in die Zukunft. Trotz dieser Einsicht – oder aufgrund mangelndem Verständnis – glauben viele, den Weg abkürzen zu können. Statt echter Nachhaltigkeit genüge der Anschein von Nachhaltigkeit – frei nach dem Motto: „es wird schon keinem auffallen“.

Greenwashing gibt es in vielen Formen und reicht von blanken Lügen und absurden Verzerrungen der Realität zu subtileren Verwirrmaßnahmen. Die Coca-Cola Company bewirbt zum Beispiel öffentlich ihre Bemühungen in punkto Plastikvermeidung, gehört aber zu den größten Plastikverschmutzern der Welt. Der Bekleidungs-Schwede H&M wirbt stark für sein Recycling-Programm, das aber nur einen winzigen Teil seines Fast-Fashion-Geschäfts abdeckt. Fluglinien wie zum Beispiel die ungarische Wizz Air wiederum positionieren sich neuerdings als grünere Alternative in einer durch und durch umweltschädlichen Industrie.

Einige Unternehmen, zum Beispiel der Online-Riese Amazon, bedenken ihre Produkte gerne mit selbstkreierten Labels und Zertifizierungen, die Nachhaltigkeit vortäuschen aber in Wahrheit nicht aussagekräftig sind. Andere Unternehmen setzen auf eine einzige Öko-Produktlinie und gestalten ihr Marketing dahingehend, dass dieses eine Produkt grün auf die gesamte Produktpalette abfärbt.

Auch manch wohlmeinende kleinere Unternehmen unterstreichen ihr „klimaneutrales“ Handeln, wenn sie in Wirklichkeit nur einen geringen Anteil ihre CO2-Emissionen ausgleichen und weite Teile ihres ökologischen Fußabdrucks außer Acht lassen.

Der sonstige gesellschaftliche Schaden, den all diese Unternehmen anrichten wird ausgeklammert.

Greenwashing schadet uns allen

Für Verbraucher, die von Unternehmen mit tiefen Marketing- und PR-Taschen mit Botschaften zur Nachhaltigkeit ihrer Produkte bombardiert werden, ist es nicht immer einfach herauszufinden, was wirklich grün ist, und was nur Grünfärberei. Nichtsdestotrotz kann Ökoschwindel heutzutage über Apps und soziale Medien viel einfacher als früher aufgedeckt und angeprangert werden. Die Gefahr, dass sorgfältig gepflegte Unternehmens-Images stark beschädigt werden ist real.

Unternehmen sollten sich über die Macht der neuen, umweltbewussten Konsumentinnen im Klaren sein, genauso wie über die Gefahren die Greenwashing nicht nur für die Gesellschaft sondern auch für sie selbst birgt.

Wer findet den besten Ökoschmäh?

Wenn Sie also diesen Sommer in „Ökohotels“ sind, „grüne“ Reiseveranstalter gewählt haben oder „nachhaltige“ Souvenirs erstehen, so denken Sie darüber nach, was genau nun grüner und nachhaltiger ist als beim konventionellen Angebot. Und fragen Sie nach. Alleine dieser Schritt regt zum Nachdenken und Hinterfragen an, und der einen oder anderen Unternehmerin wird so womöglich klar, dass leere Worthüllen und Versprechungen auch nach hinten losgehen können.

Senden Sie mir doch Urlaubsgrüße in Form von „nachhaltigen“ Produkten die Ihnen Spanisch vorkommen, oder von Greenwashing-Kampagnen die Sie entlarven. Ich freue mich darauf!

Ihre
Alice Schmidt

über Alice Schmidt

Als jemand der immer das große Ganze sieht ist Alice Schmidt quasi professionelle Weltverbesserin. Sie bringt jahrzehntelange Praxiserfahrung mit wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fragestellungen mit, die sie in über 30 Ländern mit den unterschiedlichsten Institutionen – von UNO und Weltbank über zahlreiche Unternehmen und NGOs – gesammelt hat. Neben ihrer Tätigkeit als Beraterin, Speakerin und Autorin unterrichtet sie an der Wirtschaftsuniversität Wien zum Thema Nachhaltigkeit und Management für die Zukunft.

Mehr zu Alice Schmidt http://www.aliceschmidt.at

Kürzlich ist ihr neues Buch „The Sustainability Puzzle“ erschienen, das sie gemeinsam mit Impact-Unternehmerin Claudia Winkler geschrieben hat und das sich der Frage widmet, ob wir es schaffen, die Zerstörung unseres Ökosystems aufzuhalten und endlich Gesundheit, Wohlstand und Wohlergehen für alle zu sichern (kleiner Hint: sie ist Optimistin).

Hier geht’s zum Puzzle http://www.sustainability-puzzle.org


Wünsche, Anregungen, Kritik? Freu mich über einen Austausch alice@what-matters.at