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Der Sommer ist vorbei…. Worauf freuen sie sich?

Worauf freuen Sie sich am Ende eines Urlaubs im Ausland? Auf ihr Bett, ein Schnitzel, das Auto? Vielleicht darauf ihre Freunde, Verwandte und Kolleginnen wieder zu sehen, oder gar darauf, wieder arbeiten gehen zu dürfen?

Ich stelle mir diese Frage jedes Mal, wenn ich am Urlaubsort die Koffer packe. Dieses Jahr, nach einem wunderschönen Urlaub am Mittelmeer, war für mich ganz klar: ich freue mich auf Recycling!

Ja tatsächlich, was ich im diesjährigen Sommerurlaub am meisten vermisst habe war die Verfügbarkeit von Recycling-Stationen. Selbst dort wo vor zwei Jahren Papier, Glas und Plastik noch getrennt wurden gab es keine Mülltrennung mehr. Der Vertrag des Recycling-Anbieters war nicht verlängert worden.

Es ist zwar ungeheuer entspannend in der romantischen und massentourismusfreien Traumbucht vom netten griechischen Kellner Eiskaffee serviert zu bekommen, aber für mich geht das nicht ohne schlechtes Gewissen, vor allem wenn es keine vernünftigen Recycling-Optionen gibt: jedes Getränk kommt im Plastikbecher mit Plastikstrohhalm, der sicherheitshalber nochmals in Plastik verpackt ist. Oft gibt es dazu noch Wasser in der Plastikflasche (gratis dazu!), die mancherorts gar im Plastiksackerl daherkommt. 

Österreich ist nur Mittelfeld

Nun bin ich wie viele Österreicherinnen bin ich mit Mülltrennung aufgewachsen und kann mir gar nichts anderes vorstellen. Es ist also quasi in meiner DNA – denn anders kann ich mir nicht erklären, warum mir das „Entsorgen“ von Recycling-Material in Restmüllbehälter fast körperlich weh tut. Ich kann mich dazu nicht überwinden.

Ich will nicht Teil des Problems sein, sondern ein Teil der Lösung. Im Urlaub führt das dann manchmal dazu, dass ich erstens noch bewusster (also weniger bzw. wählerischer) konsumiere als zu Hause und zweitens, dass ich mit Unmengen von Altpapier zurückkehre, manchmal auch mit einem Haufen Altglas, je nachdem was das gewählte Fortbewegungsmittel an Platz hergibt.

In Ländern wo Leitungswasser nur bedingt genießbar ist, und dazu gehören sehr viele, trinke ich übrigens auch viel weniger Wasser als zu Hause… nachdem ich zu Hause aber mindestens doppelt so viel trinke wie nötig kann ich glücklicherweise auch auf Reisen gut überleben J

Während die Qualität des Leitungswasser hierzulande tatsächlich berauschend ist, ist das beim Recycling entgegen der allgemeinen Vermutung allerdings nicht so. Innerhalb der EU liegen wir beim Kunststoff-Recycling nur im Mittelfeld: ein Drittel des Kunststoffaufkommens wird zwar gesammelt und zu Recycling-Betrieben geliefert. Aber nach Reinigung und Entfernung von Störstoffen sind es nur noch 22.5 Prozent. Um die Vorgaben des EU-Kreislaufwirtschaftpakets zu erreichen muss Österreich die Bemühungen im Kunststoffbereich mehr als verdoppeln, um die geplante 50 Prozent Recycling-Quote zu erreichen.

Müll ist nicht nur Müll

Ist es also ein Wunder, wenn unsere Ozeane zum Plastik-Meer werden, und Traumstrände mancherorts zu Müllhalden, mit Konsequenzen für Tourismus und Gesundheit?

Der Great Pacific Garbage Patch zum Beispiel ist ein Müllstrudel im Nordpazifik, der dreimal so groß wie Spanien ist. Die 80,000 Tonnen Müll die in ihm „gefangen“ sind, machen ein Drittel des Plastik aus, das sich in unseren Weltmeeren herumtreibt. Es gibt viele interessante Ansätze, mit diesem Müllteppich aufzuräumen, aber noch sind die Meeres-Staubsauger usw. nicht gut bzw. schnell genug, um das effizient zu regeln. In der Zwischenzeit wird aus Fischernetzen, Badeschlapfen und Plastikflaschen Mikroplastik, das sich in unsere Nahrungskette einschleicht und die Biodiversität bedroht.

Dass Müll am Strand weder für Einheimische noch für Touristen erfreulich ist klar. Warum also besteht das Problem immer noch, wenn es doch mehr und mehr Regeln gibt, wie zum Beispiel das neue Verbot von Einwegplastik, auf das sich die EU-Länder geeinigt haben. Auch die zahlreichen Strandlokale geben sich oft redlich Mühe, hinter den Touristen herzuräumen.

Wir lieben Plastik

Das Grundproblem ist sowohl nachfrage- als auch angebotsseitig verortet. Plastik ist ungeheuer vielseitig einsetzbar; sein relativ geringes Gewicht ist ein Vorteil. Das Grundproblem ist aber, dass wir ganz generell zu viel konsumieren und das oft mehr ferngesteuert statt bewusst tun: wir finden Plastikverpackungen einfach „praktisch“ und greifen gerne zu, vor allem wenn etwas nichts kostet (vermeintlich – denn langfristig bezahlen wir ja die Kosten von Nicht-Nachhaltigkeit sehr wohl).

Der Gedanke was danach geschieht, also wie der dabei entstehende Abfall wieder entsorgt werden kann, wird dabei außer Acht gelassen. Nur diejenigen unter uns, bei denen das Entsorgungs-Gen besonders ausgeprägt ist denken vielleicht schon im Vorhinein darüber nach, dass der kurzfristige Convenience-Gewinn sehr bald durch lästigen Entsorgungsaufwand zunichte gemacht wird.

Plastik ist ein heikles Thema

Während also nachfrageseitig noch nicht ausreichend Druck da ist, das Müllaufkommen zu reduzieren gibt es ein ungeheuer starkes Interesse von Seiten der Plastik- bzw. der Erdöl-Industrie, Geschäftsmodelle auch bei Gegenwind zu erhalten, koste es was es wolle. Auf der Suche nach neuen Absatzmärkten in einer Zeit, in der mittlerweile fast allen klar ist, dass fossile Brennstoffe wie Öl nicht die Zukunft sind, scheinen manche Vertreter der Plastikindustrie mit nichts anderem beschäftigt als vom eigentlichen Problem abzulenken, Verwirrung zu stiften und wissenschaftliche Ergebnisse in Frage zu stellen. Ganz so wie es die Tabakindustrie früher gemacht hat, solange bis das Wissen um die gesundheitsschädigende Wirkung von Zigaretten so weit im Mainstream angekommen war, dass auch ausgefuchste Marketing-Leute und Lobbyisten nicht mehr viel tun konnten.

Wie sehr diese Industrie zu kämpfen bereit ist, und mit welchen Mitteln, durfte ich unlängst erfahren, als ich zum ersten Mal Ziel eines Shitstorms wurde. In einem Social-Media Posting hatte ich auf die Tatsache aufmerksam gemacht, dass Kunststoff-Recycling lange nicht so einfach ist wie es uns so mancher in der Industrie vermitteln möchte. Es besteht einfach ein großer Unterschied zwischen dem was technisch möglich ist und was innerhalb eines Recycling-Systems machbar und realistisch ist. Oder wissen Sie etwa (ohne ein einschlägiges Studium abgeschlossen zu haben), welches Plastik mit welcher Ziffer Sie wo recyclen dürfen?

Mein Post ist auf großen Zuspruch gestoßen, wurde x-fach geteilt und über 20,000 Male gelesen. Gleichzeitig haben Dutzende Kommentatoren versucht, mich zu verunglimpfen und einander dabei unterstützt. Dass die meisten von ihnen einen Background in der einschlägigen Industrie hatten war wohl kein Zufall. Manche behaupteten gar, dass es gar kein Plastikproblem gäbe. Für mich war das eine Lernerfahrung die verdeutlicht hat, wie heikel das Thema ist, wie stark die Interessensvertretungen, und wie sehr es daher Systemansätze statt Einzellösungen braucht – ganz wie in unserem Buch ‚The Sustainability Puzzle‘ von Claudia Winkler und mir beschrieben.

Recycling ist übrigens nicht das Maß aller Dinge. Es geht vielmehr um Vermeidung, Wiederverwendung, etc. Letztlich kann ein lineares System wie das unsrige nicht nachhaltig sein, was wir brauchen ist eine konsequent durchdachte und umgesetzte Kreislaufwirtschaft. Aber davon gerne ein andermal!

Also willkommen im Herbst.

Ihre Alice Schmidt

alice@what-matters.at