Bedürfnisse beherrschen unseren Alltag und Bedürfnis-Kollisionen verursachen Beziehungskrisen.
Was ist die Ursache und was der Ausweg?
Bedürfnispyramide
Wer kennt sie nicht, die Bedürfnispyramide von Abraham Maslow?
- Doch was bedeutet das im Alltag?
- Was ist der Unterschied zwischen Wunsch und Bedürfnis?
- Wann ist ein Bedürfnis etwas ganz Normales, dessen Befriedigung keine Erwähnung braucht?
- Wo liegt die Grenze zwischen Bedürfnis und Bedürftigkeit?
- Wie hoch ist der Beziehungs-Preis, der für Selbstverwirklichung gezahlt werden muss?
Um die Thematik besser einschätzen zu können, hilft zusätzlich zu oben gestellten Fragen zwischen Bedürfnissen, die man sich selbst erfüllen kann und solchen, für die man jemand anderen benötigt, zu unterscheiden.
Selbsterfüllbare Bedürfnisse
Im ersten Fall stellt sich bei genauerem Hinsehen die Frage, ob nicht doch jemand direkt oder indirekt von der Selbsterfüllung betroffen ist? Das wird oft übersehen und gerne mit der Haltung „Das geht Dich nichts an“ weggeredet. Doch wer sich die Kausalitätskette des eigenen Handelns genauer ansieht, könnte erkennen, dass unsere Entscheidungen öfter Auswirkungen auf andere haben, als wir wahrhaben wollen.
- Trinken Sie Bier, dann muss Ihre Partnerin* mit dem Biergeruch leben.
- Haben Sie Sex mit jemand anderem, dann muss Ihr Lebensgefährte*mit seinen verletzten Gefühlen leben.
- Nehmen Sie einen Job mit viel Reisetätigkeit an, so reduziert sich für Ihre Frau* die Beziehungszeit.
Probieren Sie etwas aus!
Fragen Ihren Mann*, ob manche Ihrer Handlungen, eine unangenehme Auswirkung auf ihn haben!
Fremderfüllbare Bedürfnisse
Im zweiten Fall möchte man vielleicht nicht wahrhaben, dass die dahinterliegende Not so groß war, dass man den anderen im Endeffekt vielleicht zur Erfüllung seines eigenen Bedürfnisses gezwungen hat. Es gibt sogar genügend Techniken, die so ein Vorgehen lehren. Man nennt sie „Manipulation“ und diese Methode ist hoch im Kurs. In der Werbung, im Geschäftsleben und auch in der partnerschaftlichen Beziehung. Natürlich würde das niemand so bezeichnen und auf das Grundrecht pochen, für sich und seine Wünsche eintreten zu dürfen.
Beobachten Sie sich !
Wie oft und mit welchen Mitteln passiert es Ihnen, dass Sie versuchen Ihren Lebensgefährten* von Ihrer Sichtweise zu überzeugen!
Aktive und Passive Bedürfnisse
Außerdem ist es wichtig zu bedenken, dass es aktive und passive Bedürfnisse gibt. Dabei scheint es so, als wären die passiven legitimer als die aktiven. Das ist natürlich nicht so, denn Bedürfnis=Bedürfnis.
„Ich will laute Musik hören“ wäre ein aktives und ich will Ruhe haben ein passives Bedürfnis. Sie will reden und er will sich bei einer monotonen Tätigkeit entspannen ist ein weiteres Konflikt-Beispiel aus der Kategorie der Klassiker.
Es ist selbstredend, dass ich hier von den Situationen schreibe, bei denen es keine Einigkeit gibt und es zu einer Bedürfniskollision kommt. Das ist besonders dann der Fall, wenn die Partnerin* das Bedürfnis freiwillig, ohne Repressalien oder ohne Gegenleistung, nicht erfüllen will.
Bedürfnis-Befriedigungs-Egomanen
Mit anderen Worten scheint es so, als sind wir in dem gigantischen Überangebot der Wohlstands-Hemisphäre des 21ten Jahrhunderts zu bedürftigen Bedürfnisbefriedigungsegomanen geworden. Meine Frau und ich dürfen den Kampf der Bedürfnisse regelmäßig auf unserer Beziehungs-Coaching-Couch erleben.
Bitte fühlen Sie sich nicht angegriffen. Es ist ein Phänomen, das unsere Selbstbezogenheit durch das immense Unterhaltungs- und Dienstleistungsangebot sehr zunimmt. Ohne ein sinnhaftes Lebensfundament wird die Selbstverwirklichung zum Fluch. Was sagen Sie dazu? Ist es nicht an der Zeit, diesem Trend entgegen zu steuern?
Um einen neuen Umgang mit anderen Menschen (und mit sich selbst) zu entwickeln ist gerade die partnerschaftliche Beziehung die beste Gelegenheit dazu.
Transzendenz
Maslow hat sein Modell kurz vor seinem Tod erweitert. Die oberste Stufe ist nun die „Transzendenz“, eine das individuelle Selbst überschreitende Dimension. Das heißt man nimmt sich nicht mehr so wichtig und liebt es mit seinem Partner über Ideen und Wünsche zu reden, um ein gemeinsames Leben zu gestalten. Das war seine Antwort auf die Kritik von Viktor Frankl, dem Begründer der Existenzanalyse, der den Begriff der Selbst-Transzendenz geprägt hat.
Diese neue Stufe ist nach meiner Erfahrung auch der Zauber-Schlüssel und wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, aus dem scheinbar unlösbaren Kreislauf unserer Ich-Bezogenheit auszusteigen. Dadurch werden Sie erst wirklich beziehungsfähig und öffnen das Tor zu einem erfüllten Beziehungsleben jenseits von Bedürfnissen und Bedürftigkeiten.
Ihr Michael Limani
* Um den Text lesbar zu gestalten, verwende ich unabhängig vom Inhalt die männliche, als auch weibliche Form von Ihr Partner/Ihre Partnerin, Ihr Lebensgefährte/Ihre Lebensgefährtin, Ihre Frau/Ihr Mann, u.s.w.
Über Michael Limani:
Die 25 jährige Erfahrung in einem multinationalen Unternehmen, zuletzt als IT-Architekt, hat Michael Limani gelehrt, dass es eigentlich keine anderen Probleme gibt, als die Zwischenmenschlichen. Daher absolvierte er eine Ausbildung zum systemischen, integralen Coach, Aufstellungsleiter und psychologischen Berater, um die Lösung von menschlichen Problematiken zu begleiten. Gemeinsam mit seiner Frau Angelika hat er erkannt, dass speziell die partnerschaftliche Beziehung das höchste Gut und der Schlüssel zu einem glücklichen Leben ist. Die beiden sind spezialisiert auf Paar-zu-Paar Coaching mit systemischen Aufstellungen.
Viktor Frankl über Sinn via Selbst-Transzendenz
… wenn wir die Leute wieder auf Sinn ausrichten, so finden Sie sie nicht in sich, so wie die Selbstverwirklichungs-Theoretiker das behaupten. Mazlow, der diesen Begriff geprägt hat, hat das in den letzten Jahren längst nicht mehr angenommen. Er hat großherzig und großzügig meine Kritik an seiner Theorie unterschrieben. „Selbstverwirklichung ist all OK“, aber sie kann nur, sie ist nur zu haben über den Umweg über Selbst-Transzendenz. Auf dem Umweg über Dienst an einer Sache oder Liebe zu einer Person …